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19.02.2025 | Interview

Interview mit Wiebke Tebbe – „Menschlichkeit steht für mich an erster Stelle“

Wiebke Tebbe (*2004) absolviert seit September ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) im Sozialen Dienst des Cohaus-Vendt-Stifts. Schon früh sammelte sie Erfahrungen im Umgang mit älteren Menschen, als sie ihre Großeltern liebevoll begleitete – bis zu ihrem Tod. Diese lebten auf dem elterlichen Hof und prägten Wiebke Tebbe nachhaltig. Der Wunsch, vor einem geplanten Studium der Sozialen Arbeit noch mehr Praxiserfahrung zu sammeln, führte sie in die Einrichtung. Im Gespräch berichtet sie, warum sie das FSJ als so bereichernd empfindet und was sie dabei lernt.

Wie sind Sie zu Ihrem FSJ im Cohaus-Vendt-Stift gekommen? Was hat Sie motiviert?

Ich wollte schon immer mit Menschen arbeiten. Über viele Jahre habe ich meine Großeltern begleitet – für sie eingekauft, vorgelesen oder einfach Zeit mit ihnen verbracht. Als sie älter und pflegebedürftiger wurden, war ich da, um sie zu unterstützen. Diese Erfahrung hat mich geprägt, aber ich wollte mehr lernen: Wie ist es, in einer professionellen Umgebung mit älteren Menschen zu arbeiten? Welche Bedürfnisse haben sie?

Mein Vorstellungsgespräch im Cohaus-Vendt-Stift war ein ganz besonderer Moment. Die Atmosphäre war so herzlich und wertschätzend. Gleich zu Beginn wurde ich einem Bewohner vorgestellt, der auch im Bewohnerbeirat ist. Er hat mich so freundlich willkommen geheißen, dass ich mich sofort wohlgefühlt habe. Meine Anspannung war direkt weg, und ich wusste: Hier bin ich richtig.

Was macht Ihre Arbeit im FSJ so besonders?

Jeder Tag ist anders, und das macht die Arbeit so spannend. Morgens starten wir mit einer Übergabe. Wir besprechen, wie die Nacht verlief und ob jemand besondere Aufmerksamkeit braucht – vielleicht, weil er traurig, unruhig oder nachdenklich ist. Es geht darum, die Bewohner*innen zu unterstützen, aber auch darum, sie zu motivieren und aktiv einzubeziehen.

Zu Beginn habe ich erst einmal viel beobachtet: Welche Eigenarten, Interessen und Gewohnheiten hat jeder Einzelne? Anfangs hatte ich Hemmungen, in die Privatsphäre der Bewohner*innen einzudringen, etwa wenn ich sie in ihren Zimmern ansprechen wollte. Aber ich habe schnell gelernt, wie wichtig es ist, behutsam auf sie zuzugehen und sie zu ermutigen, Neues auszuprobieren.

Besonders schön ist es, zu sehen, wie die Bewohner*innen aufblühen, wenn sie merken, dass sie gebraucht werden. Es ist ihnen wichtig, eine Aufgabe zu haben – etwas, das an ihr früheres Leben anknüpft oder eine neue Fähigkeit erfordert. Das kann ganz klein sein, wie die Bewohnerzeitung zu falten, Handtücher zusammenzulegen oder Tannengrün für die Weihnachtsdekoration zu schneiden. Es gibt ihnen ein Gefühl von Sinn und Stolz.

Ich bekomme so viel zurück: ein Lächeln, leuchtende Augen, ein dankbarer Blick. Das macht mich glücklich und zeigt mir, dass meine Arbeit etwas bewirkt. Besonders schätze ich, dass im Cohaus-Vendt-Stift die Wünsche der Bewohner*innen wirklich ernst genommen werden. Ob es ein Spaziergang, ein Gespräch oder Musik hören ist – wir tun alles, um ihren Alltag schöner zu machen.

Warum ist es Ihrer Meinung nach wichtig, dass junge Menschen Erfahrungen mit älteren Menschen sammeln?

Viele junge Menschen haben keinen engen Kontakt zu ihren Großeltern. Manche wohnen weit weg, andere kennen den Alltag älterer Menschen gar nicht. Wenn ich Freunden von meiner Arbeit erzähle, sagen sie oft: ‚Das könnte ich mir nicht vorstellen.‘ Dabei haben sie es einfach nie ausprobiert.

Ich finde es so wichtig, dass junge Menschen diese Lebensrealität kennenlernen. Alte Menschen gehören zu unserer Gesellschaft. Sie haben so viel erlebt und verdient es, mit Respekt und Empathie behandelt zu werden. Es geht nicht nur darum, sie zu unterstützen, sondern auch darum, von ihnen zu lernen.

Der Umgang mit älteren Menschen schärft den Blick für das Wesentliche. Man lernt zuzuhören, hinzuschauen und Verständnis zu zeigen. Für mich ist das wertvoll, gerade in einer Zeit, in der vieles schnelllebig ist. Auch das Thema Tod gehört dazu. Es ist oft ein Tabuthema, aber es gehört zum Leben. Ich finde, wir sollten offen und menschlich damit umgehen.

Was ich besonders toll finde, ist der Austausch zwischen den Generationen. Zum Beispiel, wenn die Grundschüler*innen aus der Nachbarschaft ins Haus kommen. Es entstehen so schöne Begegnungen. Die Kinder bringen frischen Wind und die Bewohnerinnen erzählen ihnen Geschichten aus ihrem Leben. Das ist ein Gewinn für beide Seiten.

Was möchten Sie anderen jungen Menschen mitgeben, die über ein FSJ nachdenken?

Ein FSJ ist eine großartige Möglichkeit, über sich hinauszuwachsen und Neues zu lernen. Obwohl ich durch die Begleitung meiner Großeltern schon viele Erfahrungen gesammelt hatte, habe ich hier gelernt, wie wichtig es ist, auf ältere Menschen zuzugehen, sie individuell anzusprechen und liebevoll zu motivieren. Es geht darum, die Bewohner*innen zu aktivieren, ihnen Mut zu machen, etwas Neues auszuprobieren und manchmal auch behutsam zu fordern. Diese kleinen Momente, in denen jemand plötzlich über sich hinauswächst, neues Selbstvertrauen gewinnt, das macht die Arbeit so besonders.

Am Ende des Tages weiß man, dass man etwas Gutes getan hat, und das fühlt sich unglaublich erfüllend an. Für alle, die sich unsicher sind, ob ein FSJ das Richtige ist: Probiert es einfach aus! Ein Schnuppertag, ein Praktikum oder ein Bundesfreiwilligendienst sind ebenfalls tolle Wege, die Arbeit kennenzulernen. Es lohnt sich, diesen Schritt zu wagen – die Erfahrungen und die Dankbarkeit, die man zurückbekommt, sind unbezahlbar.

 

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